Rangezoomt Tours - Tag 3

07.01.2022 23:45

 

Nachdem die ersten beiden Tage meiner Reise morgens ein bisschen unentspannt waren, weil ich ja recht früh aufstehen musste, um dann jeweils an- oder weiterzureisen, brauchte ich am dritten Tag das Hotel nicht wechseln und genoss etwas mehr freie Zeit.

Da es schon wieder gewitterte (oder immer noch?) und ich von den ersten Tagen und den kurzen Nächten echt dezent k.o. war, gab ich mich dem totalen Luxus hin – mal so komplett ohne irgendwelche Verpflichtungen – und legte mich nach dem ausgiebigen Frühstück nochmal aufs Ohr. Ich hatte schließlich Urlaub!

 

Am Nachmittag startete ich dann zum dritten und letzten „Hauptmotiv“ meiner Reise. Mein Ziel war

 

Bremerhaven

 

Hier hatte ich mich zum einen in das Atlantic Hotel Sail City verguckt, das man – wie ich natürlich auch vorher auf einem entsprechenden Bild gesehen und dann recherchiert hatte – bei Ebbe von einem kleinen „Strand“ aus (theoretisch mit so ganz wunderbar anzusehendem, gewellten Watt) zum Sonnenuntergang ablichten konnte. Und da Uhrzeit von selbigem plus Niedrigwasser wieder günstig zusammentrafen, wollte ich das unbedingt umsetzen. Zum anderen hat Bremerhaven natürlich noch einige weitere sehr attraktive Motive zu bieten. Auch wenn ich vorher gar nicht so scharf auf zum Beispiel das Klimahaus war, reizte mich auf jeden Fall der komplette Hafenbereich, denn alles Maritime zieht mich nun mal magisch an.

Auf der 45 km langen Fahrt passierte ich erneut diverse Gewittergebiete (vielleicht war es auch einfach ein riesengroßes?), und wieder stellte ich mir die Frage, ob es überhaupt Sinn machte, loszufahren. Aber wieder galt die Devise, Hotelzimmer ist keine Alternative, und man muss immer vor Ort sehen, wie es tatsächlich wird.

Obwohl ich bei Regen in Bremerhaven ankam und weil ich ja wie gesagt vorher gar nicht soo großen Wert auf dieses Ziel gelegt hatte, passierte etwas Unerwartetes. Schon im Auto, als ich auf das Hafengebiet zufuhr, verliebte ich mich erst in einen kleinen, sehr alten und wunderschönen Leuchtturm.. und dann kurze Zeit später.. einfach in ganz Bremerhaven.

Ich gönnte mir – ziemlich dekadent - ein Tagesticket direkt im Parkhaus der Havenwelten, also direkt unter dem protzigen Hotel, und spazierte zunächst ohne Fotoausrüstung in kurzen Klamotten, aber mit Regenschirm bewaffnet, in Richtung neues Hafenbecken. Für eine Regenjacke war es viel zu warm und viel zu schwül. Ja, ja, wir sind ja nicht aus Zucker. Stimmt schon. Aber wenn man – in dem Fall ich – sich noch gute sieben oder acht Stunden draußen aufhalten möchte, ist es eher so semi geil, komplett nass zu werden. Da war der Regenschirm dann eine gute Alternative.

Im Hafen war direkt gegenüber des Parkhauses ein Riesenrad aufgebaut, das mein Herz ja gleich höher schlagen ließ. Wenn so ein RIESENRAD allerdings direkt in Nachbarschaft zu einem modernen Hotelneubau steht, kann man über diese Bezeichnung tatsächlich streiten. Auf jeden Fall wollte ich damit später eine Runde drehen und überlegte, ob es sich lohnen würde, dafür vorher die Kamera zu holen. 

 

 

Außerdem standen einige – wir nennen sie liebevoll – Fress-Buden im Hafen, die sooooo wunderbare Düfte verströmten. Ich weiß gar nicht, wann ich zuletzt gebrannte Mandeln gerochen hatte. Auf jeden Fall war die Atmosphäre einfach himmlisch und tat unfassbar gut. Es gab so viel zu sehen, dass ich sofort wusste, ich würde mich nicht langweilen und hätte genug zu tun bis zum richtigen Licht, wenn es ans Fotografieren ging.

Naja, das richtige Licht. Es regnete fast durchgehend, mal mehr mal weniger doll, und ich hatte erhebliche Zweifel, dass das etwas werden würde. Aber ich fühlte mich so unfassbar wohl dort, dass das erst mal fast nebensächlich war. Sonst stehe ich ja meistens ziemlich unter Strom, wenn ich an einen Spot komme, aber hier war ich einfach mega entspannt. Ich genoss einfach meine Freizeit und meine Freiheit. So bummelte ich erst zu dem kleinen Leuchtturm.... 

 

     

  

       

 

..und dann zurück in die andere Richtung.

 

 

Auf Höhe des Hotels / Klimahauses fing es dann SO an zu schütten, dass ich mich trotz des Schirmes zusammen mit sehr, sehr vielen anderen Menschen (bedauerlicherweise ohne Schirm und ohne Schwimmflügel) in das angrenzende Outletcenter flüchten musste. Jawohl musste! Das glaubt Ihr vermutlich nicht, aber shoppen stand nun überhaupt nicht auf meinem Programm. Ich war aber zutiefst dankbar für diesen Unterschlupf, denn es hatte wirklich so heftig geregnet, dass ich ohne den Regenschirm bis auf die Haut nass gewesen wäre und selbst mit dem Ding nicht lange draußen stehen bleiben konnte. Die zahlreichen begossenen Pudel, die mit mir Obdach im Shoppingparadies gesucht hatten, taten mir wirklich leid, hatte ich wenigstens das Allerschlimmste abhalten können.

Ich drehte also eine Runde durch diese (vermutlich plötzlich) überfüllte Passage (deren Geschäfte mich nebenbei bemerkt wirklich kalt ließen) und überlegte, was ich als nächstes tun sollte. In dem unwetterartigen Regen zu den Fressbuden zurückzuschwimmen, erschien mir wenig attraktiv, genau so wenig, wie bei dem Sturzregen dort im Stehen etwas zu essen. Einhändig. Weil Regenschirm und so. Andererseits machte sich langsam die Tatsache in meinem Magen sehr deutlich bemerkbar, dass das Frühstück viele Stunden her war.. Da die Zeit nicht drängte und ich noch ganz weit weg vom Aufgeben war, erkämpfte ich mir bei dem Italiener direkt vor dem Outletcenter einen kleinen Tisch unter einem der wenigen Schirme, unter denen das Wasser nicht zu sehr durchlief und bestellte mir – Dekadenz wurde zum Tagesthema – eine Pizza und ein Glas Wein.

 

    

 

Und obwohl ich noch niemals im Leben in einem Restaurant allein essen war und immer dachte, ich würde das nie tun, genoss ich das soo sehr. Die Pizza war Weltklasse, und ich saß fast zwei Stunden unter diesem Schirm und genoss die Aussicht (und verputzte das Essen nebenbei bemerkt bis auf den letzten Krümel, obwohl ich vorher dachte, ich schaffe nichtmal die Hälfte). Es hörte auf zu regnen und es fing wieder an. Mal tröpfelte es, mal prasselte es. In der Richtung vor uns wurde der Himmel manchmal schon stellenweise blau, dennoch pladderte es weiter munter auf unsere „Sonnenschirme“. Das hatte aber einfach so etwas Gemütliches, dass mir das üble Wetter keine schlechte Laune machte.

Irgendwann allerdings wurde es doch etwas unangenehm, so halb nass da zu sitzen und keine Wetterbesserung in Aussicht zu haben, zumal die Zeit ja auch fortschritt. Ich hatte ja lange gedacht, ich gebe nicht auf! Ich harre aus, und ich werde heute noch fotografieren! Irgendwann musste ich dann aber einsehen, dass es tatsächlich das erste Mal auf eine Kapitulation hinauslief. Sämtliche Regenradare, egal auf welchen Vorhersageseiten, egal welcher App, waren sich alle einig. Heute sollte es nichts mehr werden.

Ich versuchte nicht allzu enttäuscht zu sein, keine „richtigen“ Bilder aus Bremerhaven mitnehmen zu können, denn ich hatte einen ganz wunderbaren -wenn auch ungewöhnlichen- Tag verbracht, und im Grunde war schon bei der Ankunft irgendwie klar gewesen, dass ich da irgendwann mal wieder hin muss. Am besten für ein ganzes Wochenende. Um das Klimahaus, das Haus der Auswanderer und vieles mehr, auch besuchen zu können. Kein Grund also, traurig zu sein.

So schnappte ich mir halb betrübt, halb glücklich und dankbar meinen geliebten Schirm, um noch kurz in Richtung des Strandbades zu gehen, um wenigstens einmal einen Blick aus der geplanten Perspektive auf das Hotel zu werfen. Und während ich durch den Museumshafen spazierte, wurde der Regen weniger. Und noch weniger. Und ging in ein Tröpfeln über.

 

 

 

 

 

 

 

Und als ich mich auf halbem Weg zum Standort einmal zum Hotel umdrehte... hatte ich eine Erleuchtung! Da riss doch ein winziges Stück Himmel auf? Und da war doch ein kleines bisschen Orange zu erkennen? Da war doch verdammt nochmal ein Leuchten zu sehen!

 

  

 

 

 

Innerlich sowieso ja noch nicht endgültig vom Aufgeben überzeugt gewesen, nahm ich die Beine in die Hand. Jetzt oder nie. Ich musste versuchen, ein paar Bilder auch ohne beste Bedingungen zu machen, darin hatte ich doch nun wirklich schon Übung. Ab also zum Parkhaus, ne lange Hose über die noch nassen Beine gezogen, den Kamerarucksack und Stativ geschnappt und – todesmutig ohne Schirm - wieder los.

Das Riesenrad war inzwischen leider verständlicherweise geschlossen (allzu viele Furchtlose, die sich wie ich auch im Regen da reingesetzt hätten, waren wohl nicht aufzutreiben gewesen), und auch die Buden im Hafen waren alle dichtgemacht worden. Ich war zwar enttäuscht, dass es sich nicht ergeben hatte, die Aussicht aus dem Riesenrad noch mitznehmen, aber ich hatte es jetzt eh eilig, zum Strandbad zu kommen. Meine Güte, was bin ich an dem Tag da für Kilometer hin und her gewetzt..

Aber was soll ich sagen? Wieder einmal wurde meine Ausdauer belohnt. Geduld ist ja echt nicht meine Stärke, aber Ausdauer kann ich. Ich konnte dann aus dem Weser-Watt ein paar „interessante“ Aufnahmen machen (diesmal sogar, ohne meine Schuhe zu verlieren!). Wieder weit entfernt von meinen Wunschbildern, weil weder Himmel noch Watt stimmten (das hatte mir nicht den Gefallen getan, so ein schönes welliges Muster zu bilden, deswegen sparte ich mir die bodennahe Perspektive), ABER ich konnte fotografieren!

 

 

Es tröpfelte ab und zu, aber im Gegensatz zu dem Regen vorher, nicht der Rede wert. Und nachdem ich eine Weile belichtet und mich dankbar meines Lebens gefreut hab, dachte ich, ich sollte die regenfreie Zeit nun bestmöglich nutzen und nochmal in den Hafen gehen.

Was für eine gute Entscheidung! Während es immer dunkler wurde, ließ auch der Wind immer mehr nach und es regnete irgendwann tatsächlich gar nicht mehr! Immer mehr Lichter gingen an, und es war eine wunderschöne Stimmung im Hafen. War ich vorher gar nicht scharf drauf gewesen, das Klimahaus zu fotografieren, war ich jetzt total begeistert, das über und über beleuchtete futuristische Gebäude zusammen mit dem ebenfalls außergewöhnlichen Hotel aus verschiedenen Perspektiven aufzunehmen.

Ich verbrachte tatsächlich noch Stunden im Hafen, ging auch noch zu dem neuen Hafenbecken zurück, wo ich diesen tollen Leuchtturm noch aufnehmen konnte (offiziell Bremerhaven Oberfeuer und tatsächlich der älteste noch in Betrieb befindliche Leuchtturm auf dem deutschen Festland!). Und dabei sind dann noch wirklich phantastische Bilder entstanden. Wie vorher erwähnt für mich fast die schönsten der Reise. Das ganze Hafengebiet war einfach so total mein Beuteschema, ich hätte noch viel länger bleiben können, wäre gern nochmal auf die andere Seite dichter an den Turm gegangen. Aber zum einen wurden die Wetterleuchten über der Nordsee wieder mehr und das Grummeln nahm zu (und mein Bedarf an Wasser von oben war wirklich gedeckt) und zum anderen war es einfach auch richtig spät, und ich musste mich zur Vernunft zwingen, nicht irgendwann vollkommen übermüdet zum Hotel zurückfahren zu müssen und in dem Wissen, am nächsten Morgen wieder zeitig aufstehen und das Hotel verlassen zu müssen, um die längere Heimreise anzutreten. Letztlich war ich (ohne Hin- und Rückfahrt von Cuxhaven) wirklich fast acht Stunden vor Ort rumgestiefelt. 

Mit der Bilder-Ausbeute aus Bremerhaven und überhaupt dem ganzen Tag dort bin ich aber sehr glücklich: Bremerhaven


 

 

P.S. Wer meinen Beitrag zu Tag 2 gelesen hat, in dem ich mich über die Wirkung von Wind in Bildern mit Langzeitbelichtung ausgelassen habe, der kann die Bilder aus dem Hafen aus diesem Gesichtspunkt ja mal näher unter die Lupe nehmen. Da fällt nämlich öfter auf, dass das Motiv im Bild scharf dargestellt ist (Hotel, Leuchtturm..) und das Drumherum mehr oder weniger doll „verwackelt“. Natürlich verwischt nicht nur Schilf am Seeufer bei einer windigen Langzeitbelichtung, sondern gerade in Häfen ist es – selbst bei annähernder Windstille – meistens so, dass die Schiffe sich – mehr oder weniger stark – bewegen und daher unscharf abgebildet werden. Genau wie Fahnen, Taue usw. Aber in diesem Fall unterstützt es die Bildwirkung finde ich, denn das im Fokus stehende Motiv wirkt dadurch noch etwas schärfer. Oder was meint Ihr?