Polarlicht, Blaulicht, Milchstraße, Flugverkehr und mehr

26.03.2023 20:00

 

Eigentlich sollte an dieser Stelle zunächst ein Beitrag zu einem meiner angekündigten „Projekte“ stehen. Nämlich dem ersten Versuch, ein Zeitraffer-Filmchen zu produzieren. Dafür – und vor allem, um etwas Luft und Sonne zu tanken – bin ich bereits am vergangenen Wochenende nach Kiel an die Förde gefahren und habe im Sportboothafen Mönkeberg Aufnahmen von der auslaufenden Stenaline Fähre und der untergehenden Sonne gemacht.

 

Da mir meine Schulter danach leider mal wieder einen Strich durch die Rechnung gemacht hat, konnte ich den entsprechenden Film aus diesen Aufnahmen noch gar nicht erstellen, geschweige denn einen Beitrag dazu schreiben.

 

Stattdessen muss ich Euch nun schon wieder ein Polarlicht um die Ohren – nein auf die Augen – hauen. Ich hab mich und meine Planung also einmal mehr selbst überholt. Und warum dieses Polarlicht ein ganz besonderes ist und was das mit einer wilden Blaulicht-Fahrt auf Pellworm zu tun hat.. das erfahrt Ihr hier. Chr chr chr

 

Nach einer Woche Verdammnis zur Untätigkeit und bereits verpasster doller Polarlichter am Donnerstag (dank geschlossener Wolkendecke über Schleswig-Holstein), musste ich am Freitag einfach raus. Die Werte für weiteres Licht waren so la la, die Wetter- bzw. Wolkenvorhersage auch. Die Hoffnung war da, aber ich wollte mir lieber nicht zu viel davon machen.

 

Ich hatte beim letzten „Alarm“ bereits einen möglichen Spot auf google maps ausfindig gemacht, den wir aber dann ja leider noch nicht besucht hatten. Und da ich ungern im Stockdunkeln allein an vollkommen unbekannten Orten rumtapse, dachte ich, ich mache mal eine Ortserkundung, so lange es noch knapp hell ist und kann gleichzeitig einfach ein „bisschen“ Bildmaterial sammeln, um daraus zur Übung Zeitraffer-Filmchen zu basteln.

 

Ich fuhr also im allergeilsten Sonnenuntergang Richtung Nordseeküste und kam auch planmäßig in der Dämmerung an. Der Ort an sich erwies sich für mich persönlich als hervorragend geeignet, weil man tatsächlich wie erhofft direkt am Deich parken und den zum Fotografieren geeigneten Standpunkt in nur wenigen Schritten erreichen kann. Das macht den Rückweg im Stockfinstern bei weitem weniger gruselig, als wenn man noch ewig durch die dunklen Salzwiesen tüffeln muss. Ich war von den Gegebenheiten vor Ort total begeistert. Das Watt oder die Salzwiesen, oder was auch immer ich da vorgefunden habe, sah super aus, und auch die Blickrichtung Norden stimmte genau. Da direkt am Meer dort ein gepflasterter Weg und eine große Steinkante verlaufen, ist es leicht, sicher und trockenen Fußes auf dem Festland zu bleiben und nicht im Dunkeln unbeabsichtigt ins Watt zu stiefeln. Natürlich hatte ich vorher wie immer den Gezeitenkalender studiert und wusste, dass ich während ablaufenden Wassers ankommen würde und noch Stunden Zeit bis Niedrigwasser hätte. Es war also sicher, dass ich längst wieder in meinem warmen Kuschelbett liegen würde, bis das Wasser wieder auflaufen würde, geschweige denn bis zum Hochwasser mitten in der Nacht.

 

Das Licht der blauen Stunde, die untergehende Mondsichel (immer noch zusammen zu sehen mit der Venus, aber leider einen Tag zu spät, den Jupiter auch noch mit drauf zu haben), die Spiegelung in den Pfützen im Watt.. und dazu diese unglaubliche Ruhe (ok - bis auf das unfassbar laute Geschnatter der Wildgänse, die ganz offensichtlich schon in beträchtlicher Anzahl zurück sind).. ach, war das wieder herrlich! Allein dafür hat sich die Fahrt schon gelohnt!

 

Ich machte also einige hundert Aufnahmen in Richtung letzter Himmelsröte, um daraus später einen timelapse basteln zu können. Erwähnte ich schon mal, wie sehr ich die blaue Stunde liebe? Es war ziemlich frisch, und recht schnell auch fast komplett dunkel. Also wollte ich nach Ende der letzten Aufnahmesequenz meine sieben Fotosachen wieder zusammenpacken und glücklich den Rückweg antreten. Nicht aber natürlich, ohne vorsichtshalber noch einmal die Vorhersage-Apps und mögliche Meldungen der Polarlichtjäger zu checken. Und das sah mit einem Mal doch ziemlich vielversprechend aus! Und auch die Wolken, die der Deutsche Wetterdienst angekündigt hatte, ließen freundlicherweise noch auf sich warten.

 

Also richtete ich die Kamera nun grob gen Norden aus und machte ein paar Testaufnahmen. Und was soll ich sagen? Das Adrenalin (oder welches Hormon auch immer) schoss wieder schlagartig nach oben. Denn da war bereits eindeutig pink auf den Bildern zu erkennen! Mit bloßem Auge konnte ich es anfänglich nicht sehen, aber natürlich richtete ich die Kamera nun korrekt aus und programmierte die Fernbedienung auf eine hoooohe Anzahl an Auslösungen.

 

So ließ ich also die Kamera fleißig ihren Dienst verrichten, hielt am Horizont Ausschau, ob ich etwas erkennen konnte, verfolgte (Erfolgs)Meldungen und postete selbst eine "Sichtung". Ich legte mich auf die Steine und bestaunte den klaren Sternenhimmel über mir, bekam dafür eine dicke, fette Sternschnuppe geschenkt und genoss einfach mein Sein. Ich weiß nicht, ob das jemand nachvollziehen kann, aber ich komme in solchen Situationen wirklich so krass zur Ruhe und fühle mich so.. gut. Erfüllt. Zufrieden. Erholt. Einfach besser. Ich denke immer, das sind Momente, die das Leben ausmachen. Mein Leben. Natürlich sind etwaige Probleme, Belastungen oder Sorgen in solchen Momenten nicht wie durch Zauberhand gelöst, aber sie treten einfach mal für eine Weile in den Hintergrund, und ich habe dann einfach mal (kurz) gar keine negativen Gefühle. Ich bin nicht gehetzt, habe nichts im Nacken oder im Hinterkopf, was noch erledigt oder angegangen werden muss. Ich hatte nicht mal im mindesten irgendwie Schiss oder hab mich unwohl gefühlt. Obwohl - oder weil - ich mutterseelenallein mitten in der stockfinsteren Wallapampa auf kalten Steinen hockte oder auf dem Rücken lag. Ich bin dann einfach nur erfüllt von Dankbarkeit und so einer Art.. Genuss. Ich genieße diese Zeit einfach so sehr, dass ich das gar nicht in Worte fassen kann. Das erlebe ich so intensiv tatsächlich aber auch nur, wenn ich ganz allein bin. Am Freitag war das einfach unfassbar intensiv.

Aber ich schweife ab.. 

 

Da die Kamera jetzt mit den jeweils fünf Sekunden langen Belichtungen und im Anschluss direkt dem nächsten Bild dauerbeschäftigt war, erschien natürlich keine Anzeige des jeweiligen Fotos mehr auf dem Display. Ich fotografierte also gefühlt stundenlang ins „Blaue“. Was sich dann aber zu meinem großen Glück als lila und grün erwies. Mit dem Auge konnte ich nur zwischendurch mal kurz helle Flecken wahrnehmen, aber auf den Fotos sieht man die – zugegeben recht schwache – Aurora deutlich. Und wie ich dann hinterher dank entsprechender Fachleute erfahren habe, auch noch eine ganz besondere! Ich hatte mich über die grünen Flecken oberhalb des pinkfarbenen Lichts gewundert, weil ich das so bisher noch nicht gesehen hatte. Und auf dem gestern mühevoll erstellen Zeitraffer-Film sieht man hervorragend, wie diese Flecken auftauchen und verschwinden. Dabei handelt es sich um eine sogenannte RAGDA-Aurora, die tatsächlich nicht sooo häufig beobachtet wird und die noch in der Erforschung ist sozusagen.

 

Wen es im Detail interessiert, hier eine Erklärung von Michael Theusner/Polarlichtforum Deutschland:

 

"Durch die Wechselwirkung zwischen der Plasmasphäre und dem Ringstrom entstehen sich schnell bewegende Elektronen. Während geomagnetisch gestörter Phasen können die dann auf Breitengraden unterhalb des Polarlichtovals entlang der Linien des Erdmagnetfelds in die Ionosphäre fallen." Die grünen/roten Flecken kommen wohl durch Protonen - nicht Elektronen - zustande, wie man seit letztem Jahr weiß.

Das ist also eine Leuchterscheinung, die nicht direkt durch Teilchen des Sonnenwinds erzeugt wird (wie das normale Polarlicht). Es ist ein indirekter Effekt, der sozusagen durch Polarlicht ausgelöst wird. Elektronen/Protonen in der Hochatmosphäre werden dadurch in Bewegung versetzt und erzeugen eigene Leuchterscheinungen (SAR/RAGDA/STEVE)."

 

Jetzt mal ehrlich.. Ihr wärt da doch auch ein klitzekleines bisschen stolz, sowas erwischt zu haben?

 

Bis auf ein minimales pinkes Licht zwischendurch und eben ein paar helle Flecken konnte ich wie gesagt mit dem Auge nichts sehen. Es war ein rein fotografisches Polarlicht, das ich da am Freitag festhalten konnte. Aber ich bin so, soooo dankbar für diese erneute Erfahrung!

 

Und besonders froh bin ich, dass ich ja gerade beschlossen hatte, mich in Zeitraffer-Aufnahmen zu probieren. Erst durch diesen kleinen Film und die bewegten Bilder, werden diese kleinen Polarlichter so eindrucksvoll. Die einzelnen Bilder, die ich entwickelt habe, sind auch toll, aber kein Vergleich zu dem Film. Es ist so interessant zu sehen, wie sich das Licht dort verändert!

 

Und um noch auf die Blaulichtfahrt zu kommen: auch was sich da alles am Horizont so abgespielt hat, habe ich erst nach und nach mit dem wiederholten Gucken des Films bewusst wahrgenommen. Dass da zwei Blaulichtfahrzeuge fahren (und ich finde, es sieht irgendwie aus, als würden die sich jagen, hihi), hab ich vor Ort wirklich null mitbekommen. Generell bin ich erst durch die Bilder und den Film darauf gekommen, dass da doch allerhand los war in der Ferne. Pellworm wird in der light pollution map als superdunkel angezeigt, weswegen ich dachte, dass ich von diesem Standort aus wirklich freie Sicht ins Dunkle habe. Aber da ist ja doch einiges an (gelber) Lichtverschmutzung dabei, das sich mit dem Grün des Polarlichts vermischt. Wie stark das Licht dort von Pellworm wirklich ist, muss ich dann wohl bei einem anderen Besuch herausfinden. Die Dunkelaufnahmen validieren sozusagen. Auf meinen Aufnahmen jedenfalls ist ziemlich was los am Horizont und auch am Himmel. Manchmal nimmt ja ein einzelnes Flugzeug oder einen Satelliten wahr, aber wenn man die so geballt alle zusammen im Zeitraffer sieht, wie die kreuz und quer über den Himmel flitzen, das macht einen schon ein wenig nachdenklich irgendwie..

 

Und was mich auch noch an den Aufnahmen begeistert, dass die Milchstraße (und es ist nichtmal das Zentrum) sogar recht deutlich mit drauf ist und wie sie „wandert“. Das macht doch echt was her, oder? Alles in allem empfinde ich das Ergebnis jedenfalls als super gelungen.

 

Insgesamt ist dieser Spot aufgrund der Gegebenheiten für mich allein einfach richtig gut geeignet, und ich war definitiv nicht zum letzten Mal da.

 

Erstmal freue ich mich aber jetzt noch ein Weilchen, dass ich am Freitag so ein wahnsinniges Glück hatte, nicht nur einen wunderschönen Abend am Meer zu haben, sondern eine Aurora Ragda aufnehmen und damit meiner Polarlichtjagdseite einen weiteren Ordner hinzufügen zu können, sogar mit bewegten Bildern.

 

Und dass aus nem geplanten Stündchen „mal gucken“ direkt dreieinhalb Stunden Fotografieren werden, nimmt man trotz der Kälte (und fehlenden Sitzmöglichkeit) gern in Kauf, wenn man dann mit so einem Ergebnis nach Hause kommt. Ich jedenfalls. *sehrglücklichbin*

 

Zum Abschluss noch ein paar Infos zu den Aufnahmen:

Es sind 566 Bilder, die in diesem Film verarbeitet sind, und diese habe ich zwischen 20.36 Uhr und 21.48 Uhr aufgenommen. Es ist nur der Mittelteil, der die Ragda Aurora sehr deutlich zeigt. Beizeiten werde ich diesen noch mit zwei weiteren kurzen Teilen zusammenfügen, denn auch davor und danach sind noch einige Bilder entstanden.

 

Nun aber endlich rüber zum Film gucken:

 

rangezoomt-auf-polarlicht-jagd