Langzeit(belichtungs)gruseln..

01.06.2014 16:00

.. oder "wenn die Bilder schon nix werden, mach ich wenigstens ne Story draus"

Nach der Blitzfotografie neulich juckte es mir in den Fingern, endlich mal ein lange geplantes Fotoprojekt anzugehen:

Langzeitbelichtung. Im Dunkeln.

Aber vorweg: Ich hatte mir ja letztes Jahr rechtzeitig zum Dänemark-Urlaub im Spätsommer einen passablen ND-Filter zugelegt (der mir übrigens in erster Linie die Gewitterfotografie tagsüber(!) ermöglichen sollte, dafür aber noch gar nicht wirklich zum Einsatz kam) und wollte vor Ort mal ein bisschen das Wasser in Nebel verwandeln. Tat ich auch. Aber das ist ja sowas von laaangweilig, wenn sich das Gewässer dafür nicht eignet. Also am Strand entstehen nur dann interessante Aufnahmen, wenn auch einige Felsen, Steine, Holzbohlen oder etwas in dieser Art vorhanden sind. Irgendein "festes" Objekt, um das sich dann die verschwommenen Wassermassen bewegen. In Ermangelung eines solchen Objektes eignete sich unser Strand zwar zum Üben des Ablaufs (Scharfstellen, Filter drauf, upps rangekommen und Schärfe verstellt, Filter wieder runter, Schärfe neu eingestellt, Filter wieder drauf, Fernauslöser geht nicht, ha, vergessen auf Fernauslöster zu stellen, usw.) und vor allem der passenden Einstellungen, brachte jedoch kein spektakuläres Foto hervor..

Da wir hier in Schleswig-Holstein nicht gerade mit reichlich fließenden Gewässern gesegnet sind (jedenfalls nicht solchen, die Bilder in der Art hervor bringen würden, wie sie mir vor meinem geistigen Auge vorschweben) und mich deshalb die Motivation diesbezüglich schnell wieder verließ, schlummerte besagter Filter den gerechten Winterschlaf, bis er neulich das erste Mal wieder bei den Blitzen zum Einsatz kam (zumindest bis es dunkel genug war, ohne selbigen zu fotografieren).

Was ich jedoch auch "schon immer mal" versuchen wollte, und zwar angeregt durch entsprechend geile Bilder in/aus einer Facebook-Gruppe, ist die Langzeitbelichtung nachts. Wenn ich diese nächtlichen Bilder aus Häfen oder von Skylines sehe.. hach..!

Nun bin ich leider nicht so flexibel, nach Lust und Laune bei passendem Wetter abends mal eben in die Großstadt zu fahren (kleines Kind und Mann mit Schichtdienst, Ihr wisst schon), um da wirklich interessante und schöne Fotomotive abzulichten, und so wollte ich diese Geschichte erstmal in der nahen Umgebung antesten. Das Einzige, was mir hier in den Sinn kommt, was sich überhaupt zum Fotografieren eignet, ist unsere Kirche. Nicht, weil sie besonders schön wäre, sondern aufgrund der schlichten Tatsache, dass sie das einzige beleuchtete Bauwerk in der Umgebung ist..

Freitagabend parkte ich also Kind im Bett und Mann vor dem Fernseher und raffte meine Siebensachen für erste Aufnahmen im Dustern zusammen. Ich fuhr zu unserer Kirche und testete mal an, was da fototechnisch so machbar ist und ob sich bei mir das nötige "Kribbeln" für diese Art der Fotografie einstellt.

Erste wichtige Erkenntnis: Die Kirche eignet sich praktisch gar nicht! Das ist für mich schnell erklärt, liegt nämlich meiner (zugegeben unfachmännischen) Meinung daran, dass die Beleuchtung einfach nicht geeignet ist. Die Kirche wird mit wenigen Lichtquellen großflächig angestrahlt, aber man hat eben nur ein -mehr oder weniger- helles Gebäude (wohingegen der Turm mangels Lichtquelle bereits in der Dunkelheit verschwindet). Für ein interessantes Bild braucht es definitiv mehrere verschiedene Lichtquellen (auch in Richtung Kamera). Und am besten auch mehrere Objekte. Ich sehe immer viele Gebäude und Schiffe im Hafen vor mir, deren viele kleinen und großen Lichter abgebildet werden), am besten noch die Spiegelungen im Wasser.. Aber ein einzelnes angestrahltes Gebäude.. nun ja.

Zweite wichtige Erkenntnis: JA! Ja, es stellt sich ein Kribbeln ein! Und was für eins! Ich bin soooo ein Schisser ey! Ich stehe um kurz vor 23 Uhr vor unserer Kirche. Sicher, es ist dunkel, aber da sind ja einige Lampen, auch die Straßenbeleuchtung der angrenzenden durchaus noch befahrenen Straße ist alles andere als finster. Aber.. im Dunkeln ist bekanntlich gut Munkeln und dann ist da diese gespenstische KIrche (ich kann mir nicht helfen, aber auf mich ganz persönlich wirkt die immer eher unheimlich als dass sie irgendein Gefühl der Wohligkeit, Sicherheit oder ähnlich positives bei mir hervorrufen würde), der Wind, der die reichlich vorhanden Blätter zum Rascheln bringt (wo reichlich Blätter, da reichlich Büsche und Bäume, is klar ne?!) und vor allem der ein oder andere "Spaziergänger". Und um Himmels willen, wie zum Henker kommt ein alleingehender Mensch darauf, den Weg OBEN an der Kirche lang zu nehmen durch die Büsche, statt unten auf der beleuchteten Straße zu gehen?? Und nun ratet mal, wie es sich anfühlt, wenn die Nerven eh schon arg gespannt sind und so ein leichtes Kribbeln im Nacken hoch und runter läuft, während man (frau, also ich) auf jedes kleine Geräusch lauscht, um nicht vom Buschekeckmann überrascht zu werden und um Punkt Dreiundzwanzig Uhr die Kirchturmglocken anfangen zu schlagen?? Richtig. Das Herz setzt zunächst ein oder zwei Schläge aus (man verkneift sich mit Müh und Not ein kurzes erschrockenes Kreischen) und geht dann von der Schlagfrequenz in lehrbuchreifes Rasen über! Ich hätte ja mal die Zeit stoppen können, bis die Schnappatmung wieder in normale überging, aber in dem Moment habe ich daran nicht gedacht. Herrgott, wie kann man nur so ne Bangbüchs sein? Nun hab ich schon extra darauf geachtet, nicht erst um Mitternacht loszuziehen, aber die genaue Uhrzeit hab ich dann wohl etwas vernachlässigt.. Aber jetzt mal ehrlich, das ist WIRKLICH gruselig! Ich werde nie begreifen, wie jemand ohne mit der Wimper zu zucken nachts über einen Friedhof geistern kann (sofern er noch unter den Lebenden weilt)..

Und aus der Tatsache, dass ich mega Angst vorm Buschekeckmann hab und mich im Dunkeln vor ner Kirche alleine ganz fürchterlich grusel (auch wenn meine Eltern mir immer gesagt haben, wer Dich im Dunkeln klaut, bringt Dich spätestens im Hellen zurück, das beruhigt einen in so nem Moment mal so gar nicht!) und ein so langweiliges Foto diese gesundheitsabträgliche Aufregung nicht wert ist, resultiert

meine dritte Erkenntnis dieses Dunkelfotoversuchs: Ich muss in die Stadt! Es hilft nichts, ein Abendausflug nach Hamburg ist dringend vonnöten. Zum Langzeitbelichten im Hafen. Und zwar auf keinen Fall allein! Freiwillige vor!!

Die Bilder von Freitag haben es natürlich nicht in die Galerie geschafft, aber wer gerne einen ungruseligen Blick ohne Rascheln, Schritte und Glockengeläut wagen möchte, bitte sehr:

 

Das ist übrigens das mit 60 Sekunden am längsten belichtete Foto. Nur für den Fall, dass der Gedanke aufkommen könnte, es sei doch gar nicht soo dunkel gewesen. Bei nur 20 Sekunden sah das Ganze so aus:

Beide Bilder sind übrigens "out of cam", also komplett unbearbeitet.

Ihr seht, da ist noch enoooormer Spielraum nach oben. Das Kribbeln hat mich nicht nur im Nacken gepackt, auch ist der Wunsch da, mal richtig in den Bereich einzusteigen. Dafür braucht man aber wie man sieht wirklich geeignete Locations. Mal sehen also, was sich da realisieren lässt.. In nächster Zeit halte ich mich von "solchen" Gebäuden jedenfalls fern. Mein Gruselbedarf ist erstmal reichlich gedeckt.